Charlie

Charlie

Ich liege am Strand, auf meiner Sonnengeschützen, bequemen Liege ruht mein Kopf auf zwei Kissen. Der Blick ruht auf dem endlos scheinend wirkenden Meer. Die Gedanken schweifen und eine ruhe und Dankbarkeit macht sich im ganzen Körper bemerkbar. Es fühlt sich richtig an.
Meine Gedanken werden ins hier und jetzt befördert durch eine Situation die sich gerade am Rande meines Blickfeldes abspielt. Eine meiner zwei Begleitungen wird durch einen Mann in einem Hawai Shirt angesprochen. Kurz später zieht er sein Shirt aus, legt es hin und geht ins Wasser. Sie meinte zu mir gerichtet, dass er sie fragte ob sie kurz auf seine Sachen aufpassen würde, weil er gerne baden gehen möchte. Natürlich hatte sie zugesagt. 

Und von dem Moment an sollten seine Spuren, seine Fussabdrücke die er im Sand hinterließ nicht mehr so schnell verschwinden. Weshalb ich ihm diesen Beitrag widmen möchte, wohlwissend das es nur einen kleinen Bruchteil dessen skizzieren kann, was sein Bild ausmacht, aber es soll ja ein Beitrag und kein Buch werden, obwohl ich mir sicher bin, das genügend Stoff für mehr als ein gutes Buch bereits vorhanden sind.

Charlie ist sein Name und er kommt ebenfalls aus Europa. Ende zwanzig arbeitet er in der Gastronomie und ist Mitinhaber von drei Geschäften was an sich schon eine Leistung ist. Doch das sollte noch bei weitem nicht alles sein, was mich beeindruckte. Da seine Geschichte jedoch retroperspektivisch erzählt wurde, wusste ich das zu jenem Zeitpunkt ebensowenig wie sie, wenn sie das jetzt lesen. Wenn er von seinem langersehnten Urlaub zurückkehrt wird er das vierte Lokal eröffnen. Auch das sicherlich eindrücklich aber in keiner Weise so sehr wie das folgende. 

Als Charlie vor ein paar Wochen in Mexiko am Flughafen ankam, tat es sein Koffer ihm nicht gleich. Sprich er war ohne Koffer angekommen. Wo die Reise seines Koffers hinging, soll jedoch nicht teil dieser Geschichte sein. Dass ein Koffer nicht gemeinsam mit seinem Besitzer am Flughafen ankommt, ist nun nicht weiter erstaunlich. Mir selber kommen gleich zwei Hochzeiten, eine im tiefen Süden von Italien (Hochsommer) und eine in Mexiko vor ein paar Jahren in den Sinn, wo ich ebenfalls ohne Koffer den Flughafen verlassen durfte. Mühsam sicherlich aber auch nicht mehr. Die Dinge sind versichert und in den meisten Fällen wird er wenige Tag später ins Hotel nachgeliefert. Manchmal, ich gebe es zu, fehlt etwas, aber dafür gibt es ja die Versicherungen. Wie gesagt, es soll nicht darum gehen. Im Falle von Charlie war es so, dass er den Flughafen mit den Kleidern die er anhatte verliess und schnell feststellte, das er ein Shirt brauchte und eine Badehose und ein Tuch, damit die Möglichkeiten des Badens auch voll genossen werden konnten. Und dann waren ja noch die „warmen Kleider“ die er auf der Reise anhatten, die verstaute er in einem Karton. Sein Koffer sollte aber nicht am nächsten Tag ankommen, ja auch nicht am Tag darauf. Und als wir ihn kennen lernten, ein paar Wochen später, hatte er den Koffer immer noch nicht. Charlie meinte zu mir, dass er zwei Hemden gekauft hätte, eine Badehose und eben ein Starndtuch, mehr würde er ja nicht benötigen. Klar Handy und Laptop hatte er sowieso im Flugzeug. Alles andere war ja auch nicht notwendig. Ein paar Tag später sah ich ihn dann am Strand entlang laufen, ich wieder vor dem Restaurant auf meiner bequemen Liege. Wir grüssten uns herzlich und tauschten uns aus. Er mit seinem Tuch um die Beine gewickelt, eine Schachtel in der Hand und seinem besagten Hawai Hemd erzählte mir, dass er in ein neues Hotel auf der Insel umziehe. Ich fand es sehr eindrücklich, dass jemand sich auf so wenig Eigentum, also nicht mehr als 10 Dinge beschränken konnte. Nicht weil er musste, denn finanziell konnte er sich ohne hinzuschauen neue Dinge kaufen, auch die Versicherung hätte das in jedem Falle übernommen, jedoch hat er sich bewusst entschieden, auf diese „unnötigen“ Besitztümer wenigstens in dieser Zeit zu verzichten und sich auf das wesentliche zu beschränken. Ich bin mir nicht sicher, ob ihnen die Tragweite des eben geschriebenen bewusst ist. Für mich war es eine dieser Situation die das Bewusstsein für einen Moment auf einer höheren Frequenz hochhebt und fragen zulässt, die sonst eher selten aufkommen. Sicherlich erinnern sie sich an die Netflix Film über die Jungs die aus einer Wette heraus sich für Minimalismus entschieden haben. Auch damals fand ich es gut, war aber alsbald der Film vorbei war, wieder in meiner normalen Welt. Und da gibt es nun diesen Menschen Charlie, der sich explizit gegen diese Besitztümer entschied. Klar nur für ein paar Wochen, aber he, wer würde das schon machen… Seien sie ehrlich, wären sie nicht gerne einmal Charlie?


Und da kommt noch etwas weiters, was ich ihnen nicht vorenthalten möchte. Und zwar war dieser Charlie auf der Insel bekannt, geschätzt und ein wohlgesehener Gesprächspartner. Ich selber betrachtete jedes Gespräch mit ihm als extrem wertvoll, lustig, interessant und möchte keines davon missen. So ging es wohl auch vielen anderen auf der Insel. Immer wieder hörte man jemanden hey Charlie, is that you? How are you doing? rufen. Oder Leute liefen auf ihn zu und sprachen mit ihm über dies und das und er erzählte mir dann später, er hätte sie in Playa getroffen oder sonst wo. Es schien so, als mochte einfach jeder Charlie. Und nun nochmals, würden sie nicht auch gerne einmal so reisen und sich aufs wesentliche konzentrieren. Die Gespräche, das Meer und das sein?

Glauben sie mir, es gäbe noch so viel mehr zu schreiben, was er mir erzählt hat, zum Beispiel von seiner Reise auf Thailand, als er als Tauchlehrer arbeiten wollte und feststellte das 700 Euro nicht ausreichen, denn sein Arbeitgeber teilte ihm bei seiner Ankunft mit, dass er logischerweise eine eigene Ausrüstung mitbringen müsse. Kurzerhand hat er sich einen Job besorgt und ist noch am selben Tag in Thailand am Kokosnüsse verkaufen gewesen, … Aber wie gesagt, es soll kein Buch werden, ich wollte ihnen einfach einen kurzen Eindruck auf einen aussergewöhnlichen Menschen namens Charlie aufzeigen. 

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