Mit einem mulmigen Gefühl fragst du deine Kollegin, welche schon oft in diesen Zeiten sich hat testen lassen, wo sie „es“ getan hätte und welchen „Ort“ sie empfehlen könne.
Hast du doch von vielen bereits gehört, das es sehr unangenehm bis hin zu schmerzhaft gewesen sei.
Und dann stehst du dort, vor „ihr“ und reihst dich ein um deine Dokumente abzugeben. Du wirst vom System erfasst und schon hast du ein Papier in der Hand mit welchem du dich in der Linie anstellst.
Vier Leute sind vor dir und du weisst nicht so genau ob du zuschauen und gegebenenfalls etwas siehst, dass du eigentlich nicht sehen solltest, dass dich vielleicht mehr davon abhalten würde als du möchtest, oder ob es besser wäre einfach deinen Blick zu senken um wegzuschauen.
Es ist ein Gebäude mit einer einseitig geöffneten Türe. Dahinter steht direkt ein Tisch mit einer Person dahinter. Links davon vier Personen die im Abstand von 1 bis 2 Meter in einer Reihe anstehen. Es ist düster, die Stimmung gedrückt. Niemand spricht, jeder wartet und macht nur das was die Person davor auch macht.
In einem Film würden bewaffnete Soldaten finster die Situation überwachen. Es würde jemand aus der Linie ausbrechen und davon rennen bis man einen Schuss hört und die Person plötzlich und ganz schlaff aus dem Sprung zu Boden fallen und bewegungslos liegenbliebe. Das Blut würde sich langsam um den reglosen Kopf mit starren weit offenen leeren Augen am Boden verteilen und zwei Soldaten würden sie wegziehen, die Person mit dem Loch im Kopf. In Netflix wär es wohl ein Erfolgt.
Unter anderen Umständen wärst du nicht hier, denn du hast schon früh die Entscheidung getroffen, „es“ nicht zu unterstützen. Die Rede ist von dem dir heute nicht wohlgesinntem System. Es war ja nicht immer so. Vor einer nicht mal allzu langen Zeit warst du Teil des ganzen. Wie ein Ronaldo hast du dich auf dem Spielfeld mit dem Ball im System der Gesellschaft bewegt, Freistöße getreten, Tore geschossen, Bälle erobert, denn es war dein Spiel. Heute haben sich die Spielregeln geändert. Es ist nicht mehr dass, welches du seit Jahren kanntest und dich über die Zeit zu einem Spezialisten hast entwickeln können. Heute ist es ein Spiel, welches du „noch“ nicht spielst. Du sitzt draussen, schaust zu, lernst. Weil du dich dazu gezwungen fühlst, weil die Regeln geändert wurden, weil es ein neues Spiel ist, das du „noch“ nicht kennst.
Doch heute ist es für einen Tag anders. Du hast ihre gesagt, dass du sie einladen würdest. Dass du mit ihr essen gehst, euch kulinarisch verwöhnen zu lassen, das Essen zu geniessen, guten Wein gäbe es dazu, die Gesprächsthemen würden an diesem Abend nicht ausgehen und ihr würdet nach dem leckerem Dessert weiter in eine noble Bar gehen. Denn heute sollte es für einmal anders sein, du kennst es ja bereits dieses Spiel. Du kanntest es von damals, als es noch dein Spiel war, deine Welt in welcher du ein eingeweihter warst und deshalb stehst du nun in der Reihe, um schon als nächster dich auf den Stuhl vor der in blauer Schutzkleidung, Maske und Handschuhe bekleideten Person hinzusetzen. Sie bereitet etwas vor, öffnet hygienisch verpackte Stäbchen und kommt auf dich zu. Du legst den Kopf nach hinten und lässt es über dich ergehen. Es ist schnell vorbei und man verabschiedet sich. Es tat nicht weh, die Ungewissheit war wohl grösser und die „schlechten“ Erfahrungen durch Erzählungen haben wohl am ende seines dazu beigetragen.
Nun fährst du nach Hause um in etwa 20 Minuten eine Nachricht auf deinem Smartphone zu erhalten, auf welcher das Ergebnis dieser Untersuchung aufpoppen wird. Es ist negativ was in dieser Zeit positiv ist. Das heisst soviel wie, du hast „es“ nicht und darfst dich nun für 48 Stunden wie ein „normaler“ Mensch fühlen. Du bist ein „Teilzeit“ geduldeter auf dem Spielfeld wo du dich jahrelang wie ein Starspieler bewegen konntest. Ganz ohne Einschränkungen oder Tests. Für ein zweitätiges Zeitfenster gehörst du ebenfalls dazu. Wieder dazu, müsste man sagen, denn du hattest es ja bereits. Nur haben SIE die Regeln geändert und nun musst du dich anstellen, dich registrieren und einer Prozedur unterziehen um es zurückzubekommen. Klar du könntest auch, obwohl du gesund bist, dir etwas spritzen lassen, von welchem „sie“ sagen, dass es gut sei, du aber so gar nicht überzeugt bist. Klar du könntest es machen, es wär so einfach und du würdest wieder dein Spiel spielen können, du würdest wieder dazu gehören als ob du nie weggewesen wärst. Die Verlockung ist gross, wenn man jemandem etwas liebgewonnenes wegnimmt und ihm dann nur unter einer „neuen“ Bedingung erneut zurückgibt. Wer möchte schon ausgeschlossen werden, wer möchte nicht auch „dazu“ gehören?
Wir hatten schon früher mehrer Schichten in der Gesellschaft. Du hast es ja auch vorher gesehen. Nur warst es nicht du, der zur anderen Gruppe gehörte. Warst du nicht immer teil der Gesellschaft und jetzt bist du zum ersten mal auf der anderen Seite? Und mit nur zwei Spritzen wärst du wieder zurück. Doch du willst es nicht. Nicht nur die Spritze sondern der Zwang, der Druck, die Spaltung, das Wegnehmen und als „ungeimpften“ abgestempelt, versorgt, ausgeschlossen und unterdrückt zu werden, dass fühlt sich einfach nicht richtig an.
Das es überhaupt möglich war in so eine Situation zu gelangen war noch vor kurzer Zeit undenkbar. Doch nun sind wir da und müssen sehen wie es weitergeht. Lassen wir uns Impfen? Lassen wir uns testen? Verzichten wir auf das „normale“ Leben? Lassen wir uns ausschliessen? Wird sich das System ändern oder müssen wir das Spiel anpassen? Müssen wir uns beugen oder lässt sich ein Weg finden?
Klar er war schön dieser Abend, klar die Verlockung ist gross, doch es ist nach wie vor falsch. Daran hat sich nichts geändert. Es ist nicht richtig wenn andere über dein Leben entscheiden. Das war es noch nie und wird es auch nie sein. Denn du bist die Hauptrolle in deinem Leben, du bist der Star, die Hauptfigur. Du musst nur den Weg finden, es wird gehen davon bist du überzeugt denn der Held gewinnt am Ende immer mit der schönen im Arm, sonst ist es einfach noch nicht das Ende.
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